Kleine Veränderungen mit grosser Wirkung
Die Stromsparkampagne des Bundes begegnet uns auf Plakaten und in den sozialen Medien. Seit dem 31. August ist die Kampagne lanciert. Ein Blick auf die Einsparmöglichkeiten lohnt sich: Denn unsere Projekte zeigen eindrucksvoll, dass sich mit einer Betriebsoptimierung und Verhaltensänderungen viel Energie einsparen lässt.
Anhand einer spezifischen Betriebsoptimierung lässt sich im Bereich der haustechnischen Installationen eine Menge Energie einsparen. Doch wie sieht das in der Umsetzung aus? Mit kompetenter Unterstützung unserer Ingenieure haben wir einige Praxisbeispiele und konkrete Spartipps ausformuliert.
Zum Fachgremium: Nadège Vetterli ist Co-Leiterin des Standortes Luzern und hat als Expertin unzählige Projekte bauphysikalisch und energetisch begleitet. Die beiden Gesamtprojektleiter Sven Treichl und Felix Frei kennen die wichtigsten und relevanten energetischen Optimierungen im Industrie- und Dienstleistungsbereich und sind kompetente Ansprechpartner bei der Energieversorgung von grösseren Wohnüberbauungen.
Wir stehen mitten in der Energiekrise und diskutieren über eine drohende Stromlücke für diesen Winter. Nun liegt es an uns, den Stromverbrauch zu senken. Wie effektiv sind die Sparvorschläge der Kampagne «nicht verschwenden»?
Sven: Die Kampagne kann erfolgreich sein, wenn wir bereit sind, die Massnahmen in unseren Alltag zu integrieren und dabei unsere Gewohnheiten anpassen. Gewisse Automatismen sind zu hinterfragen und zu verändern. Eine neue Normalität muss geschaffen werden. Auf diese Weise ist es möglich, beachtliche Energiemengen einzusparen.
Felix: Es ist an der Zeit, dass diese Diskussion nun in der breiten Öffentlichkeit geführt wird, denn fossile oder elektrische Energie standen uns stets sehr günstig zur Verfügung. Zudem steigt der Druck, gegen die Klimaerwärmung aktiv zu werden. Denn der Krieg in der Ukraine verursacht neben humanitärem Leid und wirtschaftlichen Einbussen auch eine Energiekrise. Diese wiederum zeigt auf, wie wir bei der Sicherstellung unserer Energieversorgung vom Ausland abhängig sind.
Nadège: Wir erhalten derzeit sehr viele Anfragen. Viele sind motiviert, den Betrieb oder ihre Prozesse (weiter) zu verbessern. Bei unseren Projekten und Kunden geht es in erster Linie um Prozessoptimierungen beim Heizen, Kühlen oder Lüften. Hier lässt sich bereits viel Energie einsparen.
Spartipp 1: Das Energieeinsparpotenzial beim Heizen
Felix: Wenn wir Veränderungen bei der Heizkurve vornehmen, schauen wir genau, was der Bedarf eines Betriebes ist und legen diese entsprechend darauf aus. Beim Wohn- und Gewerbequartier Freilager in Zürich beispielsweise haben wir mit Hilfe einer Bedarfsanalyse die Heizkurve daraufhin optimiert und die Thermostatventile angepasst.
Nadège: Auf den ersten Blick scheint eine Anpassung der Heizkurve ein einfaches Unterfangen zu sein. Aber es ist Vorsicht geboten, denn die Prozesse sind komplex. Die Heizkurve setzt sich aus unterschiedlichen Parametern zusammen und beschreibt das Verhältnis der Aussentemperatur zur Vorlauftemperatur. Nur eine Fachperson sollte Veränderungen an der Heizkurve vornehmen, denn die Prozesse sind komplex. Dabei soll auch auf die Nutzer Rücksicht genommen werden.
Spartipp 2: Effiziente Erzeugungssysteme
Nadège: Wärmepumpen und Kältemaschinen sind grosse Stromverbraucher. Umso wichtiger sind: eine geeignete Temperatureinstellung, eine richtig justierte Abtauung und die korrekte Steuerung der Förderpumpen anhand des benötigten Massenstroms. Nur so kann die Effizienz der Wärmepumpe gesteigert und gleichzeitig der Strombedarf gesenkt werden.
Des Weiteren gibt es vor allem im Industriebereich aber auch in Bürogebäuden eine Vielzahl an Geräten, Motoren, Beleuchtungselementen, Druckluft- oder Lüftungsanlagen, welche ausserhalb der Betriebszeiten laufen. Durch eine bedarfsgeregelte Steuerung aller Anlagen und Geräte kann zusätzlich Energie gespart werden.
Felix: Im Betrieb lässt sich eine Wärmepumpe mit Hilfe des Monitorings optimieren. Dabei lässt sich sehr schnell feststellen, wie wirksam eine Wärmepumpe betrieben wird. Gerade beim Büroneubau von Sonova in Murten, beim Freilager in Zürich oder dem Anergienetz der FGZ haben wir anhand des Monitorings die Effizienz optimiert und so auch Strom eingespart.
Neben der Analyse der zur Verfügung stehenden Daten, versuchen wir herauszufinden, in welchem Zusammenhang die Daten stehen und ob die Prozesse reibungslos ablaufen. Eine Anlage erfüllt erst dann ihren Zweck, wenn die Betriebskosten und der Energiebedarf auf ein Minimum reduziert sind.
Sven: In der Planung von Kältemaschinen spielt auch die Wahl des Kältemittels eine ausschlaggebende Rolle. So ist zum Beispiel das natürliche Kältemittel Ammoniak ökologischer und zeichnet sich durch einen höheren Wirkungsgrad aus, als ein synthetisch hergestelltes Kältemittel. Dabei gewichten wir die Lebenszykluskosten stärker als die Investitionskosten.
Eine weitere technische Optimierung sehe ich in der Auslegung der Komponenten. Eine Kältemaschine hat die Aufgabe, Wärme abzuführen, aber nur so viel wie nötig. Bei der Auslegung einer Anlage stehen die Leistung und die Dimension der Komponenten (Verdampfer, Verdichter, Kondensator und Unterkühler) im Vordergrund. Diese sind für den Kühlprozess ausschlaggebend und können energetisch optimiert werden.
Spartipp 3: Die mechanische Lüftung
Nadège: Da eine mechanische Lüftung sehr viel Strom benötigt, sollte der Bedarf an mechanischer Frischluft hinterfragt werden. Diese hat einzig hygienischen Anforderungen zu genügen und darf nicht zum Heizen oder Kühlen verwendet werden. Beim Bürogebäude von Sonova haben wir auf der Grundlage des konkreten Bedarfs und mit Hilfe einer Simulation gezeigt, wo eine mechanische Lüftung sinnvoll und notwendig ist und wo eine Fensterlüftung ausreicht.
Sven: Grundsätzlich sollten Luftmengen reduziert werden. Bei grossen Lüftungsanlagen lässt sich mit dem Heraufsetzen des CO2-Grenzwertes – von 1'000 auf 1'400 ppm – die Luftmenge reduzieren, wodurch sich der Strombedarf mit marginalen Einbussen der Luftqualität verringern lässt. Auch sollten Lüftungsanlagen, zum Beispiel an Wochenenden, wenn der Betrieb nicht läuft, abgeschaltet werden. So spart man Energie und Geld.
Welche Möglichkeiten zum Energiesparen habe ich als Laie?
Sven: Auch wir Nutzer stehen in der Pflicht, unsere Gewohnheiten zu hinterfragen und anzupassen. So sind bereits einfache Verhaltensänderungen wirksam. Ich kann zum Beispiel das Thermostatventil auf Stufe Zwei einstellen und die Büroräume regelmässig kurz – zwei bis drei Minuten – durchlüften, anstatt die Fenster zu kippen. Wenn parallel dazu die Heizung in Betrieb ist, heizen wir nicht unsere Wohnräume, sondern unsere Umgebung. Auch lohnt es sich, von der solaren Direkteinstrahlung zu profitieren. So sollten Vorhänge oder Sonnenschutz im Winter bei Nacht geschlossen und an Sonnentagen geöffnet werden, damit die Sonnenstrahlen die Innenräume aufwärmen.