Jakob Scherer im Interview bei der Versenkung der Pumpenplattform, Erweiterung See-Energieverbund Fraumünster, Zürich.
Als Teammitglied der Arbeitsgemeinschaft Erneuerbare Energie GmbH, AEE, ist Jakob Scherer in der Forschung und Entwicklung vorne dabei
Engagement mit Herz: Jakob Scherer führt neugierige Kids am Zukunftstag Schweiz durch ein Anex-Projekt vor Ort.
Chips nachhaltig produzieren und dafür über den Tellerrand schauen
Gesamtprojektleiter Jakob Scherer ist gefordert, wenn Lösungen „outside the box“ gefragt sind.
Du gehörst zum Start-up-Team von Anex, woran kannst du dich noch besonders gut erinnern?
Die Tage, bevor wir loslegten, waren ziemlich hektisch. Es war um Weihnachten herum, wir waren in diesem halbleeren Büro und ich war verantwortlich für die IT. Wir hatten Lieferprobleme mit den Laptops, mussten noch die Website aufschalten und gleichzeitig waren wir schon voll in den Projekten drin, die wir mitbrachten. Es war eine aufregende Zeit, doch die Stimmung war super. Wir freuten uns, dass es endlich losgeht.
Wie hat sich dein Aufgabenbereich über die Jahre verändert?
Im Prinzip blieb meine Arbeit die gleiche, nur die Projekte sind grösser geworden. Als Gesamtprojektleiter koordiniere ich heute grössere Teams und auch in der IT haben wir uns verstärkt. Die ganze Organisation und die IT waren jedoch von Anfang an auf Skalierbarkeit ausgelegt, so ging das relativ schmerzfrei.
Gibt es etwas, das du vermisst?
Am Anfang waren wir nur zu zwölft. Wir arbeiteten sehr eng zusammen und sahen uns jeden Tag. Doch dann wuchs Anex stetig, und unser kleines Kernteam wurde Teil eines viel grösseren Ganzen. Einige von uns sehe ich heute nur noch ein- bis zweimal im Jahr. Manchmal fehlt mir diese Nähe zu den ursprünglichen Kollegen und der tägliche Austausch, den wir früher hatten.
Eines deiner Spezialgebiete als Gesamtprojektleiter Energie sind Hochtemperatur-Wärmepumpen, wo kommen diese zum Einsatz?
In der Schweiz sind die sogenannten «Very High Temperature Heat Pumps» (VHTHP) mit Temperaturen über 150 °C noch gar nicht in Verwendung. In Zukunft gilt es aber, alle Sektoren zu dekarbonisieren, auch die Industrie. Entscheidend für die Wahl der Technologie sind die zu erreichenden Temperaturen. Um Stahl oder Glas zu schmelzen, sind Temperaturen um die 1500°C erforderlich, die sich nur mit Strom, synthetischen Brennstoffen oder fossilen Energieträgern erzielen lassen. Für einige Prozesse in der Pharma oder Chemie ist hingegen Holz als Brennstoff denkbar, mit dem man 800 bis 900°C erzeugen kann. Für alle Prozesse, die weniger als 250°C benötigen, sind Wärmepumpen interessant.
Wo liegt nun der Unterschied zu den bewährten Wärmepumpen?
Grundsätzlich funktionieren die VHTHPs ähnlich wie handelsübliche Wärmepumpen zur Erzeugung von Heizwärme, einfach auf viel höheren Temperaturen. Während für eine Fernwärmenetz 70°C ausreichen, sind bei vielen industriellen Prozessen Temperaturen um die 200°C gefragt. Die grösste Herausforderung hier ist eine materialwissenschaftliche: Beim Material der Dichtringe stösst man bei diesen Temperaturen an die Grenzen der technischen Entwicklung.
Für welche Anex-Projekte kommen Hochtemperatur-Wärmepumpen in Frage?
Grundsätzlich bieten sich Wärmepumpen für alle möglichen industriellen Prozesse an, da die Rohstoffe mit Umgebungstemperatur in die Fabrik kommen und das fertige Produkt die Fabrik wiederum mit Umgebungstemperatur verlässt. Dazwischen wird erhitzt und wieder gekühlt. Beides macht eine Wärmepumpe und schliesst so die Energieflüsse, egal ob Milch pasteurisiert, Bier gebraut oder Skis gepresst werden.
Zurzeit sind wir für unsere Kundin Zweifel Chips & Snacks AG in der Evaluation von Wärmepumpen verschiedener Hersteller. Das Ziel ist es, die grossen Chips-Fritteusen künftig fossilfrei zu beheizen. Aktuell holen wir uns Erfahrungsberichte von Lieferanten ein, die solche Wärmepumpen in Betrieb haben.
Nach welchen Kriterien evaluiert ihr die verschiedenen Wärmepumpen?
Es gibt zwei unterschiedliche Technologien, die wir vertieft anschauen: den umgekehrten Stirlingmotor und die Dampfkompressoren. Das wichtigste Kriterium ist die Anzahl der Betriebsstunden, die eine Anlage bei den von uns geforderten Temperaturen absolviert hat. Wir waren in Norwegen und Schweden und haben einen Pharmastandort und eine Papierfabrik besucht, die solche Maschinen seit ein paar Jahren in Betrieb haben. Entscheidend für uns ist die technologische Reife eines Systems, hier setzen wir Technology Readiness Level 8 (Nachweis der Funktionstüchtigkeit im Einsatzbereich) voraus. Wir möchten uns zwar an der Spitze der technologischen Entwicklung bewegen. Gleichzeitig können wir uns nicht erlauben, als Experiment zu dienen und Investitionen im siebenstelligen Bereich zu riskieren.
Was bedeutet der Einsatz dieser neuen Technologie für Anex?
Zweifel ist seit Jahren bestrebt, nachhaltiger zu produzieren und ist engagiert, hier mit Pioniergeist voranzugehen. Für uns ist das eine einmalige Gelegenheit, unser Wissen über Hochtemperatur-Wärmepumpen und deren Einsatz zu vertiefen. Diese Erfahrungen und Fragestellungen lassen sich schliesslich auf jeden industriellen Prozess transferieren. Ich denke da an die Skipresse von Stöckli oder an unsere Grosskunden aus der Lebensmittelindustrie.
Was bringt die technologische Entwicklung auf planerischer Ebene mit sich?
Ich verfolge gespannt die Fortschritte im Bereich des digitalen Bauens (BIM). Was wir heute noch manuell modellieren, wird in absehbarer Zukunft durch Algorithmen und KI unterstützt. Es geht also eher darum, repetitive Arbeitsschritte vom Computer erledigen zu lassen und dann die Ergebnisse zu interpretieren und kritisch zu hinterfragen. Ein entsprechendes Qualitätssicherungssystem zu entwickeln und weiterhin innovative Konzepte zu entwerfen wird unsere Aufgabe sein. Bis wir 2050 Netto-Null erreichen, gilt es mit einer begrenzten Zahl von Fachleuten eine Unmenge an Projekten umzusetzen, sodass wir automatisieren müssen, was wir nur können.
Wie sieht es auf Seiten der ICT-Infrastruktur aus?
Als Mitglied des Verwaltungsrats bin ich auch mit der technologischen Weiterentwicklung unserer Holding betraut. Die wichtigste Aufgabe ist es, intelligente Wissensplattformen zu schaffen, um den Austausch von Information zwischen den einzelnen Units sicherzustellen. Auch hier soll KI eine zentrale Rolle übernehmen. Chatbots wie Microsoft Copilot werden immer besser darin, aus allen indexierten Projektdaten, Normen oder vorhandenen Wissensdatenbanken Informationen zusammenziehen und Lösungswege aufzeigen. Ich freue mich sehr auf dieses Projekt und sehe grosses Potenzial für unsere Unternehmensstruktur.
Ob im Schnee...
...am Wandern in der Natur...
...am Fahrradfahren...
...oder am Wellenreiten, für Jakob ist der Sport ein wichtiger Ausgleich zum Beruf.
Wo findet man dich ausserhalb der Arbeit?
Meine Familie und ich leben in Höngg, von wo aus wir einen wunderbaren Blick auf Zürich haben. Es ist spannend zu sehen, wie sich die Stadt verändert und immer mehr innovative und nachhaltige Projekte entstehen, und mit Anex daran mitzuarbeiten. Wir fahren sehr gerne Ski, deshalb war das Stöckli-Projekt für mich ein besonderes Erlebnis. Es hat mir gezeigt, wie viel Detailarbeit in einem guten Ski steckt und wie man ihn für verschiedene Terrains optimieren kann. In Zürich trifft man mich unter der Woche in der Halle beim Fussballspielen mit Kollegen, beim Biken auf dem Antennentrail am Uetliberg oder sonst irgendwo draussen an.