30. Januar 2025

Flawils Weg zur nachhaltigen Wärmeversorgung

Wie in Flawil (SG) aus einem Nahwärme-, ein Fernwärme-Projekt entstand: Gemeinsam schaffen Anex und die Technischen Betriebe Flawil ein zukunftsweisendes Projekt für die Umwelt und die Region.

Der Beginn von etwas Grossem

Mit dem Ziel, eine effiziente und umweltfreundliche Wärmeversorgung in der Gemeinde aufzubauen, kamen die Technischen Betriebe Flawil (TBF) auf Anex und Gesamtprojektleiter Sven Trecco zu. Der Auftrag: drei Gebiete auf ihr Potenzial für Nahwärmeverbunde zu prüfen. Während zwei Gebiete aufgrund fehlender Wärmequellen oder hoher wirtschaftlicher Risiken ausschieden, erkannte Sven Trecco im dritten eine grosse Chance.

Eine Wärmequelle mit Potenzial

Nahe an der Blumenau liegt die Abwasserreinigungsanlage (ARA) Oberglatt, die für die Abwasserreinigung der drei Gemeinden Flawil, Gossau und Degersheim zuständig ist. «Ein Indiz, dass viel Abwärme vorhanden ist», folgerte Sven Trecco. Übliche Schwierigkeiten bei der Verwendung einer ARA als Wärmequelle, wie die Schwankungen bei Abflussmenge, Temperatur und in der Wasserqualität relativieren sich jedoch bei dieser Anlage.

Die ARA Oberglatt verfügt über ein Becken, in dem gereinigtes Wasser aus vier Reinigungsstufen zurückgehalten wird, um die Anlage punktuell zu spülen. «Wir waren uns sicher, dass man dieses Becken ertüchtigen kann: Das Spülwasserbecken (400m3) kann als thermischer Speicher fungieren», erklärt der Gesamtprojektleiter. Die Analyse der Daten der Anlage bestätigte: «Hier besteht das Potenzial für mehr als einen Nahwärmeverbund.»

Ein Fernwärmenetz entsteht

Sven Trecco und sein Team entwickeln den angedachten Nahwärmeverbund in der Blumenau gemeinsam mit den TBF weiter zu einem Fernwärmenetz, das künftig das Zentrum bis zum Botsberg versorgen wird. Die Wärme des gereinigten Wassers im Spülwasserbecken der ARA wird ausgekoppelt, mittels Wärmepumpen aufbereitet und in das Fernwärmenetz eingespeist. Ein Gaskessel dient als Redundanz und, als Anforderung der TBF mit Biogas betrieben, zur Spitzenlastabdeckung bei erhöhtem Wärmebedarf.

Spitzenbrechung dank intelligentem Leitsystem und grossen Speichern

«Wir setzen auf einen simplen Engineering-Ansatz: Bewährte Konzepte und Komponenten, clever und zeitgemäss kombinieren», erläutert Sven Trecco. Ein intelligentes Leitsystem verbindet die Elemente des geplanten Fernwärmenetzes. «That’s where the magic happens», so der Gesamtprojektleiter. 

Sowohl an der Quelle als auch in den mit Wärme belieferten Kundenanlagen des Fernwärmenetzes, werden Wärmespeicher installiert. Bei den Wärmekunden sind dies Brauchwarmwasserspeicher. Ein intelligentes Leitsystem koordiniert, wann und welche Speicher geladen werden. Das ermöglicht eine gestaffelte Nachladung, minimiert Überlappungen und federt Verbrauchsspitzen ab. Grosse Speicher in der Energiezentrale reduzieren die Ansprüche an die restliche Technik und wirken ebenfalls Verbrauchsspitzen entgegen. So bleibt der Gaskessel möglichst oft ungenutzt und die Wärmepumpen gut ausgelastet.

«Die ARA Oberglatt wird zu einem richtigen Energy Hub»

Sven Trecco
Gesamtprojektleiter
Die Bauarbeiten haben begonnen

Nach nur einem Jahr intensiver Planung hat der Verwaltungsrat der TBF im August 2024 den Projektkredit beschlossen. Der Baustart für das Projekt war im Oktober 2024. Weil der Leitungsbau vom Strassenbau abhängig ist und eine Kantonsstrasse in Flawil saniert wird, wurden bereits erste Abschnitte des Fernwärmenetzes verlegt und die ersten Häuser sollen bald angeschlossen werden. Bis die Energiezentrale fertiggestellt ist, werden diese Haushalte durch eine Übergangslösung mit Wärme versorgt: Pellets oder Biogas sind als Wärmequellen vorgesehen. So bleibt die Wärmeversorgung gemäss Anforderungen der TBF auch in der Übergangszeit möglichst klimaneutral.

Das Herzstück des Projekts

Die Energiezentrale ist direkt auf dem Gelände der ARA Oberglatt geplant. «Die Abstimmung zwischen dem Abwasserverband Flawil-Degersheim-Gossau und den Technischen Betrieben Flawil ist entscheidend, damit der Anlagenbetrieb über lange Zeit gewährleistet werden kann», erklärt Sven Trecco. Zudem braucht es für die Realisierung der Energiezentrale die Zusammenarbeit von Expertinnen und Experten verschiedenster Fachrichtungen: von Architektur, Bauphysik, Tiefbau und Statik über unsere Coex-Planer für die Kältetechnik und Gebäudeautomation bis hin zur Elektro-, Sanitär- Heizungs- oder Lüftungsplanung.

In Zukunft wird die ARA Oberglatt weit mehr als sauberes Abwasser liefern: Mit der Verbrennung des Klärgases aus den Faultürmen, wird seitens ARA Strom und Wärme produziert und für die internen Prozesse genutzt, wobei die Restwärme künftig in das Fernwärmenetz eingespeist wird. Dazu kommt nun die Energiezentrale mit dazugehöriger PV-Anlage.

Der perfekte Match

Im Unterschied zu Projekten in Gemeinden ohne eigene Werke, werden die TBF den Betrieb der Energiezentrale selbstständig und mit eigenem Personal sicherstellen. Neben der nachhaltigen Wärme schaffen sie so Arbeitsplätze und Wertschöpfung innerhalb der Gemeinde Flawil. «TBF schafft die Ressourcen, den Willen und den Mut, ein solches Projekt durchzuziehen», lobt Sven Trecco. «Wir haben die Erfahrung und ein vielseitiges Team mit super Leuten, und können viele Gewerke aus einer Hand anbieten – es ist der perfekte Match.»

Haben Sie Fragen zum Projekt Flawil?

Gerne gebe ich Ihnen Auskunft über den aktuellen Stand der Bauarbeiten sowie über allgemeine Fragen zur Umsetzung des Wärmeverbunds in Flawil.

Sven Trecco
Gesamtprojektleiter

BSc Energie- und Umwelttechnik FHO, MAS Business Administration ZHAW


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